Was ist eigentlich Inklusion?

Das kann sicherlich von verschiedenen Seiten und verschiedenen Standpunkten aus gesehen werden.

Je nachdem, welche Menschen mit Behinderung man begegnet.

Ist es ein Mensch mit Hörschädigung, dann wäre er sicher froh und vollständig inkludiert, wenn alle Menschen um ihn herum die Gebärdensprache können würden. In Amerika zum Beispiel gehört die Gebärdensprache zum Lehrplan. So ist mir einmal ein Professor begegnet, der eine Zeit lang in den USA tätig war und auch hörgeschädigt ist. Dieser erzählte mir, dass er den Aufenthalt in den USA als sehr angenehm empfunden hat. Sowie unterwegs, auf der Straße, in der Universität oder in einer sonstigen Einrichtung ein Amerikaner bemerkt hat, dass er hörgeschädigt ist, ging er dort ganz automatisch in die Gebärdensprache über. Hier sind uns die Amerikaner in der Inklusion um Längen voraus.

Fragt man ein Mensch mit Sehbehinderung was für ihn Inklusion bedeutet so würden sicherlich verschiedene Aspekte beachtet werden müssen. So zum Beispiel begegnen wir des öfteren in den Städten, den neuen eRollern, welche acht- und gedankenlos auf den Leitsystemen für sehbehinderte Menschen stehen und diese behindern. Auch für Menschen, die sich nie einen Kopf über das Vorhandensein dieser Leitsysteme gemacht haben, scheint Inklusion ein Fremdwort zu sein.

Ich denke, dass ich den Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung hier nicht extra einen langen Absatz widmen muss. Hier weiß denke ich nach dieser Zeit jeder, dass die Inklusion hier im Besonderen auf dem Fokus der Barrierefreiheit beziehungsweise der Unterstützung bei der Arbeit mit extra Hilfsmitteln und Geräten liegt. Wie oft begegnen wir in unserem Alltag noch kleinen Treppenstufen beim Bäcker oder in kleinen Geschäften, teilweise sogar in Kaufhäusern, die unsere Mitbürger mit Geh- bzw. anderen körperlichen Beeinträchtigungen das Leben schwer machen.

Auch hier wieder ein Beispiel. In letzter Zeit besuchte ich eine Hochschule. Dort zeigte man mir stolz die behindertengerechte Toilette. Um zu dieser zu kommen, musste man offensichtlich zwei Treppen herabsteigen.

Auf meine Frage, wie das ein Körperbehinderte mit einem Rollstuhl oder einer Gehhilfe bewältigen soll, wurde mir eben so stolz der extra Zugang auf Höhe der Toilette gezeigt. Eigentlich schon etwas zum bitteren Lächeln war die Tatsache, dass der Rollstuhlfahrer aus dem Haupteingang hinaus um das gesamte Gebäude herum fahren musste, um dann zu diesem separaten Zugang zu kommen. Hier habe ich natürlich das Problem angesprochen, dass der Rollstuhlfahrer, insofern das Geschäft dringend sei, es eventuell erledigt habe, bevor er die Tür erreichen würde.

In einer anderen Tagung hat mich eine Mitstreiterin sogar noch auf einen besonderen Aspekt aufmerksam gemacht. Wir betrachten den Begriff Inklusion, immer als Besonderheiten für die Behindertencommunity. Dabei bedeutet Inklusion, dass wir alle, egal welchen Geschlechts, welcher Behinderung, welche Beeinträchtigung oder welcher Neigung uns im Grundsätzlichem als gleich verstehen, gleich behandelt werden und die gleichen Möglichkeiten haben. Einfach gesagt: Wir betrachten uns alle nur als Menschen, ohne Besonderheiten. Das brachte mich auf den Gedanken, beziehungsweise auf die Feststellung, zu erkennen, Inklusion ist nicht nur für Menschen mit Beeinträchtigung. Inklusion ist auch für Menschen jeden Geschlechts, auch für Menschen mit ungewissen Geschlecht, wie auch für Menschen, die sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen. Wenn wir das alles vorbehaltlos akzeptieren können und alles so umsetzen, beziehungsweise unser aller Leben so leben können, als wären alle Menschen gleich, dann erst wird die Inklusion vollständig umgesetzt.

Eigentlich wäre dies die tatsächlich richtige Ansicht – auch meines Erachtens. Nur wenn alle Menschen so miteinander umgehen, als wäre jede Besonderheit gar keine Besonderheit, sondern die Normalität. Wenn wir also alle den Begriff Mehrheitsgesellschaft nicht mehr brauchen, weil wir alle zusammen eine Mehrheit sind, nur dann und auch wirklich nur dann ist die Inklusion vollständig umgesetzt.

Die Frage wäre aber zu dieser Zeit, ob wir nun den Begriff Inklusion überhaupt noch benötigen, wenn Inklusion sich durch die tatsächliche Umsetzung der Inklusion von selbst erledigt, so dass alles „normal“ ist. Dann erst haben wir die Inklusion richtig umgesetzt.

Aber leider sind wir davon noch sehr sehr weit entfernt. Auch ich werde das in meiner Lebenszeit vermutlich nicht mehr erleben, aber ich werde weiter dafür kämpfen, dass wir der Inklusion,der tatsächlichen Umsetzung der Inklusion, immer näher kommen.

Behinderung und Beeinträchtigung


Heute möchte ich nicht nur über Menschen mit Behinderung schreiben, sondern auch über Menschen mit Beeinträchtigung.
Sehen wir Menschen mit Behinderung und Menschen mit Beeinträchtigung als gleiches, so wären wir deutlich mehr Menschen mit Behinderung, als bisher angenommen. Die Frage wäre, wie ist eine Beeinträchtigung zu sehen? Was ist überhaupt eine Beeinträchtigung? Es gibt viele Menschen mit vielerlei Beeinträchtigung in ihrem Leben, welche sich aber nicht gleich als Behinderung darstellt. So zum Beispiel gibt es Menschen mit einer Sehfeldeinschränkung, die im offiziell anerkannten Sinne keine Behinderung darstellt oder Menschen mit Laktoseintoleranz, sowie auch Menschen mit leichter Diabetes… ich denke hier könnte man das Feld noch um fast unendliches erweitern. Ebenso muss man bei der Laktoseintoleranz  seine Ernährung deutlich umstellen und auf bestimmte Faktoren achten, d.h. das diese Menschen Ihr Leben ihrer Beeinträchtigung entsprechend anpassen müssen. Auch hier ist es wie bei anderen Menschen mit Behinderung, die ihr Leben auf ihre Behinderung bewusst oder unbewusst einstellen. D.h. zwar nicht, dass der Mensch mit Laktoseintoleranz behindert ist, aber die eingeschränkten Möglichkeiten der vollen Anteilnahme des Lebens sind bei diesen Personen trotzdem gegeben.

Ebenso habe ich eine gute Bekannte, die aufgrund einer Krankheit eine Sehfeldeinschränkung hat, die aber noch nicht in den offiziell vorgeschriebenen Bereich der Behinderung hinein geht. Hier wäre zum Beispiel ein gesondertes Merkzeichen angebracht, dass im SGB IX aber nicht vorgesehen ist. Dafür würde es sich direkt lohnen, zu kämpfen. So hat diese Bekannte zwar eine Brille, wie viele andere Menschen in Deutschland, aber sie hat das Problem auf einer Seite ihres Gesichtsfeldes, die Umgebung nicht ohne den Kopf zu drehen, wahrnehmen zu können. Im Besonderen entgehen ihr somit teilweise auch Gänge, Treppen, Fahrzeuge und anderes, aber auch Personen. Diese Gesichtsfeldeinschränkung ist im SGB IX nicht definiert und somit offiziell keine Behinderung, wobei ich persönlich dieses als eine starke Behinderung betrachten würde. Auch sie muss ihr Leben und ihr Handeln entsprechend darauf einstellen. Ich kann das unter anderem deshalb so gut nachvollziehen, da ich selbst eine Beeinträchtigung im Sehvermögen habe, die aber noch nicht in dem Bereich des SGB IX fällt.

Auch ich zum Beispiel sehe alles doppelt durch eine durch Morbus Basedow aufgetretene Diplopie. Auch das betrachte ich als deutliche Einschränkung in meinem Leben. Ich bitte den geneigten Leser sich einfach vorzustellen, sie schauen Personen an und sehen Sie zweimal -einmal weiter oben einmal unten-  oder Sie schauen auf den Bildschirm und die Buchstaben, den Cursor sehen sie doppelt und sollen dabei noch normal arbeiten. Mein liebster Scherz dazu ist meistens:“ ich sehe mein Gehaltsschein doppelt, aber leider nicht das Geld auf dem Konto.“

Ich denke, dass Menschen mit Behinderung wie auch Menschen mit Beeinträchtigung einfach lernen, mit ihren Beeinträchtigungen umzugehen und als Bestandteil ihres Lebens zu betrachten.DieseSichtweise ist im Besonderen deshalb die Richtige, da eine Behinderung keine heilbare Krankheit sondern Bestandteil des Lebens ist. Auch hat mich dieses besondere Sehen dazu gebracht, die Sicht von Sehbehinderten “zu erlernen„ bzw. besser nachempfinden zu können. Das mag vielleicht lapidar ausgedrückt sein, aber steht man, ob mit Sehbehinderungen oder mit Gesichtsfeldeinschränkung oder Doppelsichtigkeit zum Beispiel vor einer Treppe, bei der alle Stufen und schlimmstenfalls noch die umgebende Bodenstruktur dieselbe Farbe haben, auch wenn sie oben und unten farblich abgesetzt gekennzeichnet sind, so nimmt man diese – zumindest in meinem Fall – als eine Fläche wahr. Hier kann man froh sein, dass es in Deutschland vorgeschriebene DIN Normen gibt und somit jede Treppenstufe die gleiche Höhe hat. Stehe ich aber zum Beispiel vor einer Treppe eine alten Burg, einer alten Ruine, die farblich mit der Umgebung verschmilzt, so wäre ich froh, mich an einem Geländer festhalten oder orientieren oder leiten lassen zu können. Nun ist Diplopie in Deutschland aber keine allzu seltene Krankheit. Warum wurde also solche Behinderung noch nicht im SGB IX angefasst. So ist dieses doch zum Beispiel schon eine stärkere Beeinträchtigung. Das sollte aber nur beispielhaft gesehen werden.

Es gibt in Deutschland vielerlei Arten Der Beeinträchtigungen, die im offiziellen Sinne keine Behinderungen darstellen. So gibt es Menschen mit Gehbeeinträchtigungen durch Rheuma, Menschen mit Greifschwierigkeiten durch Gicht oder Entzündungen, Menschen mit der Volkskrankheit Rückenschmerzen, die sich manchmal nur schwer bewegen können, Menschen mit Depressionen und vielen anderen Beeinträchtigungen. Auch in diesen Fällen ist Inklusion differenzierter zu betrachten. Wie im Vorfeld, meine Gedanken schon differenzierter aufgeschrieben, bedeutet Inklusion, alle Menschen so zu betrachten, als wären es alle gleiche Menschen der Mehrheitsgesellschaft und Bedingung für diese Menschen sind entsprechend anzupassen. Dies ist aber nicht im integrativen Sinne zu betrachten, sondern im inklusiven.

Jeder Mensch kann sich in seiner Umgebung so bewegen, die Gegenstände so benutzen und das Leben so leben, wie alle anderen Menschen ohne Beeinträchtigung der Mehrheitsgesellschaft. Wie man sieht, haben wir hier im Rahmen der Inklusion noch ganz viel zu tun. Ich bin auch nur ein kleines Rädchen in dem großen Getriebe und möchte meinen Beitrag dazu beitragen, die Welt etwas inklusiver zu verbessern und ich hoffe, dass es hier noch viele Mitstreiter geben wird.